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  • AutorenbildDenise Romer

Teil 15 - Die Nervosität steigt

Wo zum Geier waren wir da denn bloss gelandet? Ein Blick von unserem Heck zeigte eine etwas verwahrloste Bucht mit vielen Fischerbooten. Neben uns tummelten sich drei Segelboote, die allesamt ihre besten Tage wohl im Mittelalter gehabt haben mussten. Bei den vielen Menschen auf den Booten, war mir schleierhaft wo die sich alle in den kleinen Booten verstecken konnten. Es schien, als ob sich dort eine richtige Hippiekommune niedergelassen hatten. Die verranzten Boote passte zu ihren verwahrlosten Bewohner. Es hätte auch ein Bild aus dem Film „Fluch der Karibik“ sein können. Nur bis zur Karibik hatten wir ja noch etliche Seemeilen vor uns. Die hellhäutigen Rastafrauen- und Männer schienen jedoch friedlicher Natur zu sein und tummelten sich den ganzen Tag lang auf dem Sonnendeck. Martin und ich beschlossen, den in der Nacht beleuchten Weg dem steilen Felsen entlang hochzusteigen. Ausser Atem kamen wir nach dem anstrengenden Aufstieg oben im Dorf an. Die versammelten Menschen, welche oben auf der Mauer sassen, hatten uns sicher schon den ganzen Weg beobachtet. Hierher verirrte sich wohl kein Tourist, geschweige denn ein nagelneuer Trimaran. Ganz wohl war uns bei der Sache nicht, doch wir marschierten durch das kleine Dorf in der Hoffnung einen Supermarkt zu finden. Irgendwo musste ja so ein Laden sein, denn die ganzen Hippies lebten bestimmt nicht von Fisch, Luft und gegeseitiger Nächstenliebe. Doch unsere Entdeckungstour blieb erfolglos. Was mich mehr als verwunderte war die Tatsache, dass auf diesem Berggipfel viele sich im Rohbau befindliche Fischerboote befanden. Wie diese dann den Weg ins Meer finden würden, dass war mir unverständlich. Kaum hatten wir uns entschieden, den Abhang zurück ans Meer unter die Flipflops zu nehmen, sahen wir eine Frau mit einer Einkaufstüte. Da musste also doch irgendwo ein Laden versteckt sein. Ich ging auf die Frau zu, welche uns bereitwillig den Weg zum Einkaufsladen erklärte und uns sogar dahin begleitete. Ich bin überzeugt, von alleine hätte wir den nie und nimmer gefunden. Ein schmaler Treppenaufgang direkt an der Klippe führte in eine Art Innenhof einer Wohngemeinschaft, wo mehrere Räume versteckt zu sein schienen. Geradeaus sah man eine offenstehende Türe mit zwei Menschen, die sich fröhlich unterhielten. Als wir näher kamen, war auch klar, dass es im „Einkaufsladen“ gerade mal Platz für eine Person hatte, während der Konsument unter dem Türrahmen stehen blieben musste. Im Innern erwartete uns ein kleines Einkaufsparadies. Gefühlt bestand der Laden nämlich nur aus ein paar Keksen und einem Kühlschrank gefüllt mit 2 Literflachen Süssgetränken. Auf einem Regal sah ich noch einen Karton mit ein paar wenigen Eiern stehen. Das war ja mal wieder ein Einkauf! Der nette Verkäufer füllte uns also unsere zwei Frühstückseier in eine kleine Plastiktüte und übergab uns diese feierlich. Mit unseren zwei rohen Eiern in der Hand machten wir uns auf den Weg zurück den steilen Abhang hinter zur Küste.




Nun war es Zeit, dass wir nach Mindelo kamen. Unser letzter Halt bevor wir die lange Überfahrt über den Atlantik unternehmen wollen. Nach dem hissen der Segel wurde das Meer mal wieder richtig ungemütlich und zeigte sich von seiner rauen Seite. Die 20 h dauernde Überfahrt bis Mindelo im Norden der Insel Sao Vicente schlauchte uns mit anstrengenden 35 Knoten auf die Nase und 4m hohen Wellen. Solche Kurse wollten wir eigentlich gar nie segeln. So verbrachten wir den ersten Tag in Mindelo einfach mal mit nichts tun und holten den fehlenden Schlaf nach. Da wir einen Werfttermin hatten, musste Makani am Steg mal wieder eingepfercht werden. Von vorne und hinten spannten die Hafenhelfer unser Segelschiff fest. Das nun eine Woche andauernde Quitschen und Gieren fühlte sich fast an, als ob Makani sich gegen dieses Gefängnis wehrte. Es waren wohl nicht nur meine Gedanken, denn die komplette Mannschaft ist alles andere als gerne in einem Hafen.





Da standen wir nun. Angekommen auf der letzten Insel der Kapverden wo wir unser Segelschiff ein letztes Mal mit Proviant vollstopfen konnten, um damit endlich über den Atlantik in die Karibik zu segeln. So mal der Plan. Wenn wir gewusst hätten, wie schwierig es werden würde unsere gewünschten Lebensmittel zu finden, hätten wir bestimmt schon auf Sal eingekauft. So erschien uns unser letzter Eiereinkauf auf dem Felsen plötzlich schon fast als kleines Einkaufsparadies.

Nachdem unser Kapitän uns ordentlich auf der Insel angemeldet hatte begannen die Reparaturen auf der Makani. Beim Betreten des Schiffsstegs konnte man bereits die Beschallung aus Ronin’s Musikbox hören. Doch die Arbeiten am Boot schienen die beiden Jungs mal vorerst nicht zu interessieren. Viel zu interessant war da die Reparatur des Surfboards und Instandsetzung des E-Bikes. Angesteckt von Martin’s Tatendrang kam dann plötzlich doch noch Leben in die Handwerkergemeinschaft. Ronin’s Kopf verschwand in den Luken der Skipperkabinen und schon bald sah man, wie aus jeder Luke Material ans Tageslicht gefördert wurde. Sehr viel Material!



Auf unseren Überfahrten hatten wir nämlich festgestellt, dass diverse Stellen am Boot nicht gut genug abgedichtet waren und somit sich an vielen Orten Wasser angesammelt hatte. Dies war alles andere als gut. Das Eindringen des Wassers an und für sich war ja nicht so ein Problem. Sinken würden wir dadurch nicht. Die Ansammlung von Wasser bedeutet aber vor allem, dass alles feucht war und somit unsere kompletten Ausrüstungsgegenstände und Werkzeuge zu rosten begannen und auch Schimmel würde uns hier zum Problem werden. Erstaunlicherweise trabten hier die Handwerker wie vereinbart an und die Garantiearbeiten waren innert kürzester Zeit erledigt. 

Ich schnappte mir mal Timon und gemeinsam zottelten wir los, um unser Glück mit den Einkäufen zu versuchen. Kaum ausserhalb des Piers wurden wir auch schon von einem älteren Einheimischen mit verfilzten Haaren angesprochen. Die Bettelei war hier in Mindelo wohl die einzige Einnahmequelle. Gefühlt alle zwei Meter wurde man entweder darauf angesprochen ob man Geld für sie übrig hatte oder ob man Gras kaufen wolle.  Die meiste Frage war aber, ob wir nicht eine Packung Milchpulver für sie kaufen könnten. Erstaunlicherweise fragte der ältere Mann mit dem hinkenden Bein, ob er uns bei unseren Arbeiten am Schiff helfen dürfe. Natürlich als Bezahlung hätte auch er gerne Milchpulver. Ein wenig skeptisch schaute ich ihn an und dann kam mir die zündende Idee. Ich wär mir nämlich fast sicher, dass dieser Mann wusste, wo man hier in Mindelo günstig einkaufen konnte. Also heuerte ich ihn direkt als Shopping-Guide an und versprach ihm als Gegenleistung seine Packung Milchpulver. Hocherfreut schlurfte der Mann vor uns durch das Städtchen und führte uns zum Gemüsemarkt und schliesslich zum einheimischen Supermarkt. Vollgepackt mit Einkaufstüten gings zurück zum Hafen. Da wollten wir am nächsten Tag ein weiteres Mal hin um unser Schiff bis zur hintersten Ecke vollzustopfen. Wir rechneten mit Proviant für 5 Personen über 3 Wochen hinweg. Das war mehr als grosszügig geplant. Als Martin’s Kumpel Sascha es an Weihnachten geschafft hatte mit seinem Katamaran in 12 Tagen über den Teich zu segeln hatte er bei uns natürlich ein kleines Wettkampffieber entfacht. 

Am Abend sah ich Martin grübelnd beim Tiefkühler stehen. Mit starren Blick war er über sein Laptop gebeugt. Einzig sein Unterkiefer bewegte sich, was ein Zeichen war, dass unser Captain einmal mehr Selbstgespräche führte. Als er sich dann die Haare raufte, mit der Hand übers Gesicht fuhr, seine Augen sich weiteten und er auch noch leise vor sich hin zu fluchen begann, war klar, dass da etwas überhaupt nicht stimmen konnte. Er erklärte mir, dass unser Starlink, also die Internetverbindung über den Atlantik nicht funktionieren würde und er es nicht schaffen würde, dies zum Laufen zu bringen. Netterweise hatte Starlink ihm gerade eine Mail gesandt und mitgeteilt, dass es ein Hardwarefehler bei unserem Gerät sei und sie uns dieses kostenfrei umtauschen würden. Doch da wir in zwei Tagen über den Atlantik segeln wollten und die Firma das neue Gerät nur bis in die Schweiz schicken würde, wäre dieses also definitiv nicht rechtzeitig bei uns auf den Kapverden. An Martin’s Blick zu urteilen, standen wir also mal wieder vor einem grösseren Problem. Ohne Starlink konnten wir also keinerlei Wetterdaten empfangen oder wissen wie sich der Wind entwickeln würde. Für einen einzigen Tag auf dem Meer wäre dies ja kein Problem. Doch für geplante 2 Wochen ein ziemlich relevantes Sicherheitsdetail. Ich war gespannt, wie unsere Makani-Crew das nun wieder lösen wollte.

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