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Teil 16/1 - Makani's Reise über den Atlantik

Autorenbild: Denise RomerDenise Romer

Endlich war der Tag in greifbare Nähe gerückt, an dem Makani erneut für eine längere Zeit in See stechen wird. Martin hatte sich bereits Sprüche anhören müssen, ob er den Ausgang aus dem kapverdischen Archipel nicht mehr finden würde. Noch zwei Tage trennten uns von der grossen Reise. Der Saharastaub hatte unsere ehemals schneeweissen Segel in Tücher mit unansehnlichen, braunen Striemen verwandelt. So wollten wir nicht an den schönen Stränden in der Karibik ankommen. Die braune Sosse, die von unserem Boot in den Hafen lief, liess auf ein mittleres Desaster schliessen. Zum Glück hatte Martin in weiser Voraussicht das Schiff an den hintersten Steg umgeparkt. Dort wehte der Wind die braunen Wasserfontänen aufs offene Meer. Ich glaube wenn wir das Schiff und die Segel an unserem Steg mit dem Kärcher so bearbeitet hätten, wären wir wohl schon vor der Abreise von unseren Bootsnachbarn im Hafen an den nächsten Mast gehängt worden.

Endlich glänzte Makani wieder und sogar die Segel hatten zu einer Farbe zurückgefunden, die auf das anfängliche Weiss schliessen liess. Feinsäuberlich wurde nun der gesamte Proviant in den verschiedenen Stauräume untergebracht. Irgendwie schlich sich dann aber beim Anblick des Proviants der Gedanke bei mir ein, dass wohl die Hälfte des Einkaufsgeldes für Bier draufgegangen sein muss. Die Jungs hatten kistenweise von dem Hopfengold an Bord gebracht. Ich war mal gespannt wie lange der Vorrat anhalten würde.


Am Sonntag, 10. März, 11:05 Uhr hiess es Leinen los in Mindelo. Die letzte Insel des Archipels wartete noch mit seinen Fischgründen auf uns. Die Jungs hatten vor, dort beim unterirdischen Vulkan ein paar Fische zu fangen, damit auch die letzten freien Ecken des Tiefkühlers noch bis zum obersten Rand gefüllt werden konnten. 


Der Weg bis zu diesen Fischgründen war jedoch alles andere als gemütlich. Die Wellen klatschten von vorne und hinten auf unser Boot und überfluteten das hintere Deck, ja sogar die Fenster des Salon bekamen ihren Waschgang. Ich war froh, dass ich nicht die Einzige war, die diese Art von Segeln nicht als die komfortabelste ansah. Endlich riefen Ronin und Martin fast gleichzeitig, dass an ihren Leinen ein Fisch angebissen hatte.



Die Jungs waren zufrieden mit dem Fang und ich froh, dass wir nun endlich auf einen ruhigeren Downwindkurs in den Sonnenuntergang segeln konnten. Während Timon bereits den Tuna filetierte widmeten Martin, Ronin und ich uns dem Setzen unseres Lieblingssegel, unserem blauen Schildkrötentuch. Unser Plan war, dass wir dieses auf der gesamten Atlantiküberquerung nur ein einziges Mal setzen würden, um es rund 2 Wochen später wieder in den Segelsack zu stecken. Pläne zu haben ist immer gut, einen Plan B im Kopf unabdingbar, zumindest wenn man segelt.

Pünktlich zum Sonnenuntergang war es soweit, „Schildkröte“ wurde aus seinem Schlauch befreit und in den Himmel hochgezogen. Yeah! Was für ein Gefühl!

Der Schreckmoment kam jedoch bereits beim Rückweg zum Cockpit. Hatte sich doch tatsächlich eine Leine unseres Turtles beim Hochziehen im Dach des Salons eingehängt und bereits einen heftigen Riss im Glasfasergewebe hinterlassen. Ronin besah sich kurz den Schaden und meinte zuversichtlich, dass dies nicht so schlimm sei und man es einfach wieder reparieren könne. Ich war da aber auch schon sicher, dass hier noch viele Sonnentage bis zur Reparatur vergehen würden.


Meine Schicht begann um 06 Uhr morgens. Eigentlich wollte ich den ersten Sonnenaufgang unserer Überquerung erleben. Doch die tief hängenden Wolken machten mir einen Strich durch die Rechnung. Der Wind hatte gehörig nachgelassen und Makani schaukelte mit 4 Knoten vor sich hin. Martin der Frühaufsteher schlürfte bereits an seinem Morgenkaffee. Als Chefbäcker auf seinem Schiff war er besorgt, dass er seiner Crew täglich frisches Brot auf den Tisch zauberte. Kaum hatte er das Brot in den Ofen geschoben, holte ich ihn auch schon zum täglichen Stretching aufs Vorschiff. Gemütlich setzten wir uns alle danach an den Frühstückstisch, als plötzlich Unruhe aufkam. Die hinter dem Boot nachgezogene Angelleine zeigte an, dass sich wohl ein Fisch am Haken verbissen hatte. Schnell sprangen die Jungs nach hinten und zogen den strampelnden Fisch mit vereinten Kräften aufs Boot.



Stattliche 2m gross war der Marlin und schätzungsweise über 20kg schwer. Heute gab es definitiv ein Festmahl zum Abendessen, während ich mich fragte, wo um alles in der Welt wir den restlichen Fisch im Tiefkühler unterbringen würden.

Nachdem ich gedanklich die letzten Tage vor unserer Abreise Revue passieren zu liess, bemerkte ich, dass Martin schon eine Weile nicht mehr im Salon aufgetaucht war. Ich machte mich auf die Suche nach unserem Kapitän. Ich fand ihn schliesslich mit verzweifeltem Blick und das Satellitentelefon in der Hand oben auf der Flybridge. Anscheinend hatten wir keinen Empfang auf der kleinen schwarzen Kiste. Das wäre ja mal wieder der absolute Supergau. Dass unser Starlink-Internet nicht funktionierte, das interessierte uns mittlerweile nicht mehr. Einmal für zwei Wochen offline zu sein, damit hatten wir uns abgefunden. Doch mindestens das Satellietentelefon wäre schon noch praktisch gewesen für Notfälle. Wer segelt, kann sich nun vorstellen, dass dies sogar bei unserem sonst sehr entspannten Captain das Blut ein wenig in Wallung brachte. Aber auch hier würde Martin bestimmt eine Lösung finden.


Inzwischen hatten die Jungs ihr erstes kühles Blondes aufgemacht. Der Fang des Marlin musste natürlich gefeiert werden. Martin und ich, die entschieden hatten ohne die Konsumation von Alkohol über den Teich zu segeln, gesellten uns mit einem Passionsfrucht-Sprite-Mix zu den Jungs aufs Vordeck während Ronin bereits auf dem Grill die wohl schmackhaftesten Fischsteaks unseres Lebens vorbereitete. Ich hätte nie gedacht, dass ein Fisch tatsächlich nach Hühnchen schmecken konnte und auch in der Konsistenz vergleichbar war. Ich sage jetzt nicht, dass ihr den unbedingt fangen müsst, dafür ist dieses Tier einfach zu schön. Aber geschmacklich ist er Weltklasse!


Mein Wecker klingelt mich schon früh aus dem Tiefschlaf. Langsam wurde es hell über dem Meer. Zeit also, die Gunst der Stunde zu nutzen und mir hinten auf dem Deck eine heisse Dusche zu gönnen. Wer dies noch nie erlebt hat, dem kann ich das wärmstens empfehlen. Im Anblick der aufgehenden Sonne mitten im Atlantik auf dem Segelboot unter der Freiluftdusche zu stehen ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich schaute mich um und genoss den Ausblick in die Weiten des Meeres. Ein fast vollkommener Moment, wenn da nicht tatsächlich der ausgehöhlte Fischkopf des Marlin an unserer Dirk baumeln würde. 


Kurz nach dem Frühstück kam dann Timon mit der Idee um die Ecke, dass es doch mal wieder Zeit war für einen neuen Haarschnitt. Dies natürlich zur Freude von Ronin und Gian, die sich bereits als die neuen Figaros der Zukunft sahen. Mit der bereits etwas rostigen Küchenschere und einem Reiserasierer bewaffnet veranstalteten die Jungs auf dem Vordeck genüsslich eine zweistündige Haarschneidezeremonie. Ich würde mal sagen, ein Coiffeurlehrling am ersten Tag hätte das Resultat nicht besser hinbekommen. Aber die Jungcoiffeure hatten ihren Spass und der Kunde mit dem Ergebnis zufrieden.


Kurz darauf folgte auch schon das nächste Highlight. Ich traute erst meinen Augen nicht, aber da war tatsächlich eine Gruppe von Walfischen, die keine 500m weit weg von uns genüsslich ihre Bahnen zogen. Und zu unserer Freude wechselte sich das Bild der auftauchenden Schwanzflosse mit dem Wasserstrahl den diese majestätischen Tiere ausstiessen. Leider verschwanden die Tiere schon alsbald am Horizont. Kaum eine Stunde später war die nächste Gruppe zu sehen und pünktlich gegen Sonnenuntergang eine dritte Gruppe. Diese wurde aber nur noch von Martin und mir auf der Flybridge beobachtet, da die Jungs bereits die Küche in Beschlag genommen hatten. Ich bin jedesmal von Neuem fasziniert, was die Jungs da auf den Tisch zaubern konnten. Bei solchen Abendessen konnte ich auch problemlos über das hergestellte Desaster in der Küche hinwegsehen. Aber ich war auch immer wieder erstaunt, auf was für kreative Ideen junge Männer so kamen. Die Salatschleuder wurde von Timon diesmal kurzerhand zur Pommes-Ölschleuder umfunktioniert. Dem nächsten Salat brauchten wir sicher kein Olivenöl mehr hinzuzufügen. Leider hatten wir aber bei den Pommes festgestellt, dass unser verwendetes Olivenöl richtig ranzig roch. Die Flasche mit dem ranzigen Öl landete im Mülleimer, der Geruch in der Salatschleuder begleitete uns jedoch noch mehrere Tage. Das war gemäss Timon ein „räudiger“ Gestank. Ich war mir nicht sicher, was er damit genau meinte. Das Wort „räudig“ fiel fast permanent in jedem Satz der Jungs zu so ziemlich jedem Thema. Sogar so oft, dass auch Martin dieses Wort bereits in seinen Wortschatz aufgenommen hatten.


Bereits der nächste Morgen erwartete uns Ronin mit der nächsten schönen Überraschung. Heute duftete es auf der Makani nach frisch gebackenen Buttergipfel.

Ich schob mich hinter Ronin durch und öffnete die Türe zur Abwaschmaschine. Leider kein schöner Anblick. Anstelle des normalerweise gespülten Geschirrs war dieses noch immer dreckig vom Vorabend. Nach dem Frühstück wurde schnell klar, dass „Lilli“, so nannten wir unsere Abwaschmaschine, wohl bereits ihren Dienst bei „Sail4Surf“ gekündigt hatte.



Ronin und Timon begannen sofort mit den ersten Wiederbelebungsmassnahmen. Ich staunte, mit welchem Elan diese Reparatur angegangen wurde. Blieben doch andere Reparaturen an der Segelyacht (wie zum Beispiel der Riss im Dach) mit kuriosen Ausreden mehrere Tage liegen. Nicht so bei der Abwaschmaschine! Während die zwei Bootsbauer noch mehrere Rettungsversuche unternahmen holte ich Gian zu mir und wir erledigten den Abwasch auf die altmodische Art beim Heck des Schiffs. Ich hoffte mal, dass dies nun das Letzte elektronische Gerät war, das seinen Dienst auf unserer Überquerung des grossen Atlantiks quittierte. Starlink, Satellitentelefon und nun auch noch die Geschirrwaschmaschine war definitiv genug.


Doch wie konnte es anders sein. Auch am nächsten Tag war nicht alles einfach Friede, Freude, Eierkuchen! Beim Durchgang durch Martins WC stellte ich fest, dass die Bilgenpumpe ihren Betrieb aufgenommen hatte. Die bedeutete, dass irgendwo Wasser ins Boot eindringen würde. Zudem leuchtete die Grauwasseranzeige bei der Toilettenschüssel rot auf. Scheinbar war hier der Ausgang ins Meer blockiert und somit steckte die ganze "Sch.."ohne Ablaufmöglichkeit im Boot fest. Gar nicht gut. Ich störte also Martin bei seinem Nickerchern auf der Flybridge und erzählte ihm vom bevorstehenden Schlamassel. Mich wunderte, wie der bei solchen Botschaften immer noch die absolute Ruhe ausstrahlen konnte. Ich ging jedoch mal davon aus, dass er die Drecksarbeit mit dem Scheisshaus seiner Crew überlassen würde, was mir an seiner Stelle wohl auch ein Lächeln entlockt hätte. Ein paar Minuten später war Martin jedoch bereits in seiner Toilette verschwunden und ging dem Problem auf die Spur. Offensichtlich machte es ihm langsam Spass, sich mit den täglichen Problemen, die das Langzeitsegelleben so mit sich brachte, zu beschäftigen. 




Zum Glück startete der folgende Tag wieder mit einem besonderen Highlight. Den Blick beim Frühstück aufs Meer gerichtet rief Martin plötzlich „Da! En Riesendelfin!“ Und schon rannten wir mit dem Handy bewaffnet Richtung Bug. Tatsächlich konnte man eine Rückenflosse direkt neben unserem Schiff erkennen. Es war jedoch kein Delfin sondern ein einsamer Grindwal, der gerade Gefallen daran gefunden hatte, mit unseren Schwimmern zu spielen. Wow, was für ein Start in diesen Morgen.


Mittlerweile waren wir ja schon ein paar Tage unterwegs. Ich vermass die GPS-Koordinaten auf der Karte und bemerkte, dass wir schon fast die Hälfte des Atlantiks geschafft hatten. Die Schiffsbewegungen konnten Martin und ich mittlerweile beim allmorgendliche Stretching immer besser ausbalancieren. Den Blick in den unendlichen Horizont gerichtet fühlte es sich an, als ob man fliegen konnte. 

Dieser Tag verlief bisher so richtig gemütlich. So stellte ich mir segeln vor. Doch es wäre ja fast schon zu schön gewesen, wenn dies heute mal so geblieben wäre. Timon, welcher sich in seiner Koje für die Nachtschichtübernahme vorbereite rief plötzlich irgendwas von Krabbelviechern im Bett. Das war gar nicht gut! Unter Timon’s Bett waren noch mehrere Bierdosen in Kartonkisten gelagert.



Schnell wanderten die Kartons mit den Bierdosen aufs Heck des Schiffs. Während Martin die Verpackungen aufriss steckte ich jede Bierdose in den Kübel mit Essigwasser. Ronin meinte nur noch lachend zu Martin und mir, dass wir nun nicht mehr erzählen konnten, während der Atlantiküberquerung kein Bier in der Hand gehabt zu haben. Da hatte er allerdings recht!


Im Anschluss an unserer Bierdosen-Waschaktion wurden alle unter Timons Bett befindlichen Sachen ins Dingi gelegt. Zum grossen Übel waren darunter auch seine sämtlichen Klamotten. Um sicher zu gehen, dass sich auch darin keine Kakerlakeneier mehr befinden konnten, mussten wir alles am nächsten Tag in die Waschmaschine packen. Somit war ich morgen definitiv wieder den ganzen Tag beschäftigt. Und da soll mir noch einer kommen und sagen; so lange auf einer Nussschale über den Atlantik zu schippern sei doch langweilig. Mir würden bisher viele Beschreibungen für diesen Trip einfallen. Aber das Wort „langweilig“ würde darin definitiv nicht vorkommen.

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