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AutorenbildMartin Strobl

Pleiten, Pech & Pannen... oder ab wann ist man eigentlich ein richtiger Segler?

Auf den Weiten der Weltmeere und auf grossen Schlägen sind wir ja alle noch allesamt Rookies. Selbst ich als Skipper, mit zu Beginn einmal rund 4‘000 sm Erfahrung aus den letzten acht Jahren, zähle mich jetzt noch nicht zu den eingefleischten Seebären. Auch wenn ich mich auf dem Wasser, in den Wellen, Wind und Strömungen wie zu Hause fühle, muss ich meine Erfahrungen auf so richtig Hoher See und auch längeren Etappen, erst einmal noch machen. So jeweils zwei Wochen Chartersegeln im Mittelmehr ist zwar gut für das Erlernen des Handwerks, hat aber ansonsten mit Hochseesegeln nicht viel gemeinsam.

Und ein Vorteil ist, wenn man zu viert oder gar zu fünft unterwegs ist, dass auch von den gemachten Erfahrungen der anderen Crewmitgliedern gelernt werden kann. Und Erfahrungen zu sammeln heisst ja, zu Beginn vor allem von Fehlern zu lernen.

So habe auch ich, resp. wir, bereits auf den ersten Tagen und Wochen so einiges hinzugelernt. So hat z.B. Ronin’s Hightech Carbon Bootshaken keine zwei Tage in der Biskaya überlebt. Selbst zwei Meter über Wasser in einer für sicher empfundenen Rille war dieser nicht vor überkommenden Wellen geschützt und wurde eines morgens nicht mehr gesehen.

Unser Rettungsring, angebracht an der Heckreling, fehlte ebenfalls eines Tages. Dies nachdem unachtsamer Weise in der Nacht eine Grossschot nicht straff genug gehalten wurde und diese wild schlagend den Rettungsring kurzerhand über Board schleuderte – so zumindest mein Erklärungsversuch nachdem ich bei Wachübernahme morgens um 2 Uhr die losen Schoten bemerkte.




Nicht viel länger dauerte es, bis ein Crewmitglied herausgefunden hat, dass es keine so gute Idee ist, während der Fahrt ein Eimer Seewasser an Board zu hieven. Auf jeden Fall ist ab da unser neuer Eimer angeleint und wird nur noch bei Stillstand ins Wasser gelassen.

Auch die Elektrik ist vor uns Rookies noch nicht sicher. So haben wir’s tatsächlich geschafft durch gleichzeitige Überbeanspruchung verschiedener elektrischen Winchen eine Hauptsicherung zu grillen. In der Werft hat es noch geheissen, dass man diese niemals durchgebrannt kriegt und entsprechend auch kein Ersatz erforderlich ist. Tja, jetzt haben wir von allen Sicherungen mindestens zwei Ersatz an Board.

Auch mechanische Teile können anfällig sein. So hat unsere manuelle Bilgenpumpe nicht einmal unseren ersten Test überstanden. Anscheinend ist diese lediglich für Handbetrieb gedacht und nicht, wie von uns aufgrund der praktischen Höhe angenommen, für Fussbetrieb. Oder es war halt einfach schlecht verklebt.

Das Hoch- und Niederlassen unseres Dinghy (Schlauchboot) am Heck vom Schiff ist auch nach fünf Monaten immer noch eine Herausforderung. Und die Unachtsamkeit eines Crewmitglieds führte dazu, dass unsere Heckleuchte, resp. deren Abdeckung bereits schon im Hafen von La Rochelle den Meersgrund gesucht hat. Deren Ersatz hat dann auf Boavista vier Monate später unser schwoiendes Dinghy kurzerhand erneut versenkt. Da kommt dann schon auch die Frage auf, ob diese Platzierung wirklich durchdacht wurde. Aber eigentlich erübrigt sich für uns die Frage, da wir bei diversen anderen kleinen Dingen überzeugt sind, dass sich hier mit Sicherheit keiner Gedanken gemacht hat. 

Gleiches Crewmitglied hat’s auch geschafft, bereits am zweiten Tag nach Lieferung unseres Dinghys mit vollem Körpereinsatz die für Nachtfahrten vorgesehene Stabbeleuchtung zu knicken. Das soll hier jetzt nicht als Vorwurf rüberkommen, sondern lediglich aufzeigen, wie schnell und wie viel an Board so alles in die Brüche gehen kann. Oder einmal bei schönem Wellengang ordentlich gegen die Tischplatte im Saloon geknallt und schon hatten wir einen Drehtisch nachdem die Verankerung gebrochen ist.




Ronin hat’s einmal treffend auf den Punkt gebracht: Auf einer Langfahrt bastelt man sich um die Welt, immer in der Hoffnung, das Schiff am Schwimmen zu halten. Bei uns sind zum Glück bisher immer nur Kleinigkeiten - meist selbstverschuldete - zu reparieren, nichtsdestotrotz steht permanent etwas an. 


Ein anderer Vergleich welcher mir sehr gut gefällt hat mir ein Bootsbauingenieur einmal vorgetragen: Stell Dir vor ein Schiff ist wie ein Haus mit allen technischen Installationen, Elektrik, Sanitär, Heizung, Klima, Leitungen etc. vor. Jetzt nimm dieses Haus und schüttle es nur einmal ein Jahr lang durch und schaue, was da dann noch funktioniert. So gesehen ist es plötzlich erstaunlich, wie wenig wir bisher basteln müssen – zumindest jetzt am Anfang unserer Reise noch. Langeweile kommt so auf jeden Fall nicht so schnell auf.




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