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Teil 24 - Crewtausch

  • Autorenbild: Denise Romer
    Denise Romer
  • 25. Mai
  • 8 Min. Lesezeit

Gut einen Monat später liefen wir erneut in die vertraute Bucht von Le Marin auf Martinique ein. Der geschäftige Hafenort mit seiner Mischung aus karibischer Gelassenheit und französischer Infrastruktur war auch uns inzwischen fast wie ein zweites Zuhause geworden. Für unsere Walfreunde Naia und Francis war die Zeit des Abschieds gekommen – ihr Heimflug stand bevor. Und auch uns kribbelte es in den Fingern: Wir wollten endlich wieder Segel setzen, den Kurs selber bestimmen, dem Rauschen der Wellen folgen und der endlosen Horizontlinie entgegensteuern.

Auch Ronin bereitete sich auf seinen eigenen Kurswechsel vor: Den Sommer in der Schweiz. Seine Flipflops würde er vorerst mal gegen Wanderschuhe tauschen und dieser Hauch von Aufbruch lag auch beim Rest der Crew in der Luft.

Inmitten des Ankerfelds von Le Marin fiel mein Blick auf den eleganten 3 Rümpfer der NEEL 51: Die "Atlantis". Genau dort, wo sie vor vier Wochen gelegen hatte, lag sie noch immer seelenruhig vor Anker. Kein Wunder, denn Lili und Wolfgang hatten bei unserer letzten Begegnung von anstehenden Reparaturen an ihrem Trimaran berichtet. Dieses Mal jedoch war nur Lili an Bord. Ihr Mann war zwischenzeitlich in die Schweiz geflogen, um dringend benötigtes Ersatzmaterial zu beschaffen.


SY Atlantis
SY Atlantis

Auch für meine Mannschaft war ebenfalls eine Reihe Reparaturarbeiten auf der Makani geplant. Dafür hatte Martin die gut geschützte Marigot Bay auf St. Lucia auf dem Schirm – ein idealer Ort, um bei möglichst ruhigen Bedingungen unter anderem eine neue Seildurchführung am Mast zu installieren, wofür Ronin bis zum Top klettern musste. Die Marigot Bay im Norden von St. Lucia war ein geschütztes Naturhafenjuwel und bekannt als "Hurricane Hole" – ein sicherer Zufluchtsort wenn ein Sturm aufkommen sollte. Deswegen waren sie der Meinung, dass es dort windstill genug sei, um die Arbeiten durchzuführen, ohne dass sich das Masttop meterweise von rechts nach links und zurück neigte.

Martin setzte die Abfahrtszeit auf frühmorgens, 04:00 Uhr. Denn die Zeit bis zum Abflug von Ronin am darauffolgenden Nachmittag war mal wieder mehr als nur knapp. Normalerweise bin ich bei solchen Aktionen ja immer an Deck und auch immer bereit mitanzupacken. Doch dieses Mal war ich so überhaupt nicht in Stimmung. Viele der anstehenden Arbeiten hätten nach meiner Meinung schon ein paar Tage eher erledigt werden können. Aber mit der gechillten Art meiner Jungs wusste ich, dass die drei auf Druck am besten arbeiten konnten. Das war so gar nicht mein Stil. Also überliess ich die lange To-do-Liste diesmal den Jungs alleine und verabschiedete mich bewusst und ein wenig trotzköpfig in eine kleine Kaffee-Pause auf dem Nachbarschiff.

Ich setzte mit dem Dingi zur Atlantis über und beim Gespräch mit Lili kam mir spontan eine Idee. "Sag mal, willst du nicht mit uns in den Süden segeln, bis dein Mann zurück ist?" fragte ich. 

Lili überlegte nur kurz. "Ja mega! Da wäre ich definitiv dabei. Hier gibt es gerade nicht viel zu tun. - “Könnte ich dann mit dir segeln? So ein kleiner Girls Trip? Nur wir zwei?“ fragte ich aufgeregt. „Klar, das bekommen wir beide doch problemlos hin! Doch du wirst sehen, dass im Moment die Atlantis nicht so richtig schön segelt. Da stimmt leider im Moment gerade so einiges nicht. Aber den Ausflug schafft sie sicher.“ meinte Lili. Ich verkniff mir den Gedanken, dass ich momentan noch keinen gültigen Segelschein in der Hand hatte. Doch Lili meinte entspannt, dass ich ja auch schon genügend Meilen an Erfahrung im Gepäck habe nach der ganzen Atlantik-Überquerung. So planten wir gemeinsam unser kleines Abenteuer. Wir Mädels freuten uns auf den bevorstehenden Törn wie zwei Teenager, die heimlich die Schule schwänzen – aufgeregt, verschworen und ein bisschen so, als hätten wir etwas Verbotenes im Schilde. Während die Jungs sich also auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereiteten, planten wir Mädels mal eben unseren ersten kleinen Solotrip. 

Auch ein weiterer Aspekt liess mein kleines Seglerinnenherz höherschlagen: Ich war noch nie auf einem anderen Trimaran mitgesegelt, ok, auch noch nie auf einem anderen Schiff auf dem Meer. Die "Atlantis" war das Vorgängermodell unserer Makani – auf den direkten Vergleich war ich mehr als neugierig. Ich freute mich riesig: ausschlafen am nächsten morgen, gemütlich frühstücken, stressfreies Frauenpower-Segeln und den Werkzeugkoffer nicht nur symbolisch einfach mal aus der Hand geben. 

Und ein weitere Aspekt war, dass Atlantis unter Deck ein echtes Schmuckstück war – mit stilvollem Layout, durchdachter Raumaufteilung und liebevollen Details, die Lili mit sicherem Gespür fürs Schöne eingerichtet hatte. Ein schwimmender Wohntraum, auf welchem man sich sofort wohlfühlte. Makani hingegen war eher pragmatisch ausgestattet: robust, funktional – und mit seinem charmanten Chaos erinnerte sie meistens leider mehr an eine seetaugliche Junggesellenbude als an ein maritimes Zuhause.


Nach der Kafferunde fuhr ich zurück zur Makani und fing an meine Sachen zu packen. Dem etwas verständnislos schauenden Martin erklärte ich, dass ich bereit sei, auch mal flügge zu werden und auch mal ein anderes Boot segeln wollte, um an Erfahrung dazu zu gewinnen. Mein Captain grinste und fast war ich der Meinung, dass er sich sogar für mich freute. „Die Idee findi im Fall super! Mached das! Das wird sicher einzigartig!“, meinte Martin. In dieser Aussage steckte bestimmt auch ein wenig Neid, denn ich war sicher, dass er erstens nicht sehr viel Lust auf die kommenden Arbeiten hatte und auch, dass er liebend gerne einmal mit der 51er mit gesegelt wäre. Mit einem Augenzwinkern liess ich die Jungs stehen verabschiedete mich auf unser Nachbarboot.

Pünktlich um 04:00 Uhr hörte ich das metallische Rasseln der Makani-Ankerkette, kuschelte mich jedoch einfach nochmals tiefer in meine Decke und drehte mich so richtig genüsslich zur Seite. Lili und ich wollten frühestens um acht Uhr lossegeln. Die Windvorhersage klang verheissungsvoll: 16 Knoten aus Ost, perfekte Bedingungen für einen Kurs Richtung St. Lucia. Ich rechnete in Makani-Zeit und meldete Martin nach unserem Morgenkaffee per WhatsApp eine ETA (geschätzte Ankunfstzeit) von 12:00 Uhr.

"Super! Das isch doch perfekt! Bis denn simer sicher mit allem fertig", kam es entspannt zurück.


Girlstrip auf der Atlantis
Girlstrip auf der Atlantis

Bald darauf zogen Lili und ich das Grosssegel hoch. Doch schon beim Setzen bemerkte ich, dass hier einiges anders war als auf unserer Makani. "Da müssen wir ins erste Reff", meinte Lili. Ich runzelte die Stirn. Wir hatten gerade mal 14 Knoten Wind.

Auf Makani wäre das volles Tuch gewesen, auf jeden Fall definitiv weit entfernt von Reffs. Doch die Atlantis reagierte empfindlich. "Sie läuft sonst sofort aus dem Ruder", erklärte Lili. "Kaum eine Böe, und schon schiesst sie in den Wind."

In den folgenden Stunden wurde mir klar, dass zwischen dem Vorgänger- und dem aktuellen Modell Welten liegen. Das Ruder reagierte nervös, das Boot verlangte ständige Aufmerksamkeit. Selbst kleinste Kurskorrekturen wollten wohl überlegt sein. Ich war erstaunt – denn die Linien und Dimensionen waren auf den ersten Blick fast identisch zur Makani. Doch das Fahrverhalten. war… sagen wir: anspruchsvoll.

Gegen 14:30 Uhr, mit fast drei Stunden Verspätung, liefen wir endlich in St. Lucia ein. Ich atmete tief durch. Die Atlantis hatte ihren eigenen Charakter – und den würde ich am ehesten mit "zickig" beschreiben. Aber: Der Girls-Trip war gelungen. Und der Vergleich zu unserer Makani? Wertvoller als gedacht. Zudem war ich stolz wie Bolle, mal wieder aus meiner Komfortzone herausgetreten zu sein.

Nach meiner Rückkehr auf Makani kribbelte es meiner Crew in den Fingern. Nach all den Geschichten waren sie neugierig auf den direkten Vergleich der beiden Trimaran-Generationen. Also tauschten wir kurzerhand die Boote: Lili segelte mit Ronin und Sino die 51er, ich kehrte zurück auf unsere Makani, um mit Martin die nächste Etappe in Richtung Süden zu segeln – Ziel, der Flughafen von St. Lucia.

Eigentlich war unser Plan, bis nach Vieux Fort durchzusegeln, um Ronin direkt beim Flughafen absetzen zu können. Doch Wind und Strömung spielten nicht mit – sie stellten sich uns energisch entgegen. Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit. Schliesslich entschieden wir uns für die nächstgelegene Alternative: die geschützte Laborie Bay, wo das bereits bestellte Taxi Ronin gerade noch rechtzeitig in Empfang nahm.

Mittlerweile hatte uns aber das Rennfieber gepackt: 51er gegen 52er Trimaran. Martin und Sino waren jetzt ebenso heiss darauf, die Atlantis auf Herz und Nieren zu testen, während Lili gespannt war, wie sich die Makani anfühlte. Also gab es einen weiteren Crewtausch: Diesmal segelten Sino und ich die Atlantis, während Martin mit Lili Makani zum nächsten Ankerplatz brachte.

Der Start war synchron. Anker auf, Segel hoch – wie bei einem offiziellen Regattastart. Sino und ich arbeiteten routiniert zusammen, warfen einen Seitenblick hinüber und sahen, dass auch Makani ihr Grosssegel fast gleichzeitig oben hatte.

Plötzlich schoss ein kleines Motorboot auf uns zu. Küstenwache! Mein Puls machte einen Sprung. "Meinsch, die wänd zu üs?", fragte ich Sino mit einem leichten Anflug von Nervosität. "Ah was, die fahren verbi, muesch luege...", antwortete Sino mit seiner typischen Strobl-Gelassenheit. Sino hatte recht: Das Patrouillenboot rauschte einfach an uns vorbei. Noch mal Glück gehabt. Vielleicht sollte ich mir doch ein bisschen mehr von dieser "Es chunt scho guet"-Mentalität abschauen.

Wir setzten die Genua und nahmen Fahrt auf. Ein kurzer Blick nach Backbord zeigte Makani bereits mit vollem Gennaker unter Dampf. Klarer Fall: Das Rennen war entschieden, bevor es richtig begonnen hatte. Erst sahen wir Makani noch von hinten, dann nur noch als AIS-Signal auf dem Kartenplotter.


Atlantis und Makani auf dem Kartenplotter
Atlantis und Makani auf dem Kartenplotter

Am Abend erfuhren wir von Lili, dass die Atlantis nicht nur an der Regattafront gegen die Makani zu kämpfen hatte. Offenbar war das Rigging der Segelyacht ab Werk nicht ganz optimal abgestimmt. Doch Lili und Wolfgang sowie die Mitarbeitern der verschiedenen Yachthäfen waren immer noch auf der Suche nach dem eigentlichen Auslöser - bisher erfolglos. Aus diesem Grund hatte der 51er-Trimaran mehr Eigenleben entwickelt, als Lili lieb war. Ihre Erzählung war gespickt mit einem Mix aus leiser Frustration und dem Humor, den nur erfahrene Seglerinnen aufbringen.

"Sie läuft irgendwie nicht mehr richtig geradeaus – wie ein störrischer Esel mit drei Rümpfen", meinte sie halb lachend, halb seufzend. Der direkte Vergleich mit unserer Makani hatte da einiges ans Licht gebracht. Doch statt Trübsal zu blasen, analysierte Lili sachlich: "Da geht noch was! Wenn jemand ein gutes Gespür für sein Boot hat, weiß auch, wo er schrauben muss!" – im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich war mir sicher, dass dieser kleine sportliche Schlagabtausch für Lili nicht nur ein freundschaftlicher Wettkampf war, sondern auch ein Motivationsschub. Die Atlantis hatte definitiv Potenzial – man musste es nur wieder wachkitzeln. Und wenn jemand das hinbekommt, dann Lili. Schliesslich sind Boote ein wenig Männer: ein bisschen eigen, aber mit der richtigen Pflege echte Traumgefährten.

Am nächsten Tag peilten wir gemeinsam Wallilabou auf Saint Vincent an – ein geschichtsträchtiger Ort und laut Lili einer der Original-Drehorte von "Fluch der Karibik". Das wollten wir uns nicht entgehen lassen.


Die beiden Trimaran in der Bucht von Wallilabou
Die beiden Trimaran in der Bucht von Wallilabou

Im Örtchen selber waren tatsächlich die originalen Bauten aus dem Film zu erkennen. Auch die Kanonen zeigten bedrohlich auf die Bucht. Das Restaurant beherbergte noch weiteres Inventar des Bühnenbaus und Requisiten, welche aus dem Film stammten. Diese konnte man sich ausleihen und sich in die Welt der Piraten zurückversetzen lassen, was wir auch ausgiebig taten. Wir hatten dabei unglaublich viel Spass. 


Die Jungs im Piratenfieber
Die Jungs im Piratenfieber

Die Piratenbucht
Die Piratenbucht

An diesem Abend jedoch wurde Lili immer leiser. „Habt ihr den Hurrikan gesehen, der sich gerade auf dem Atlantik gebildet hat?“, fragte Lili beim Abendessen. Natürlich nicht! Die Sorglos-Crew der Makani hatte schon länger kein Auge mehr auf den Wetterbericht geworfen. Die Hurrikan Saison war ja erst im kommende Monat geplant. Martin checkte sofort alle Wetterberichte und sah ebenfalls, dass sich etwas zusammenbrauen würde. „De chunt no nid so schnell“, meinte er wie immer völlig gelassen. Für Lili war aber klar, dass sie den Heimweg nach Martinique in die Bucht von Le Marin unter ihre Schwimmer nehmen würde. Zudem war ihr Mann auch bereits auf dem Rückweg in die Karibik. 

Mir war es überhaupt nicht so wohl bei dem Gedanken, dass Lili den ganzen Weg in den Norden alleine zurücksegeln musste. Doch Lili meinte nur, dass dies kein Problem sei.

So setzten die beiden Trimaran am nächsten Morgen wieder Kurs, diesmal in entgegengesetzte Richtung. Denn unser Plan sah vor, dass wir aus dem Hurrikan Gebiet raussegeln mussten. Ich war gespannt, ob wir das noch rechtzeitig schaffen würden - denn der Sturm kam schneller näher als uns lieb war…

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