Am 23. März 2024, morgens um 7:30 Uhr segelten wir nun also der ersten Karibikinsel entgegen. Nach 12 Tagen auf dem Ozean waren meine Gefühle ein wenig gemischt. Einerseits die Freude, den Ozean gemeistert zu haben und andererseits auch ein wenig Wehmut, dass wir diesen grossartigen Event bereits hinter uns hatten. Doch von unserer 5er Crew waren Martin und ich wohl die Einzigen, die noch ein paar Tage länger auf dem Meer ausgehalten hätten. Die Jungmannschaft war mehr als bereit, sich wieder mit ihren Boards in die Wellen und ins warme Wasser zu stürzen. Dieser heutige Morgen beim Harrison’s Point Light House im Norden von Barbados würde nur der Makani-Crew gehören. Keine weitere Seele war an diesem Morgen so früh an diesem Strand und machte uns die Wellen streitig.
Kaum war der Anker ins tiefblaue Wasser gelassen und Makani schaukelte gemütlich vor sich hin, sah man Martin mit dem elektrischen Rasierer bewaffnet am Heck stehen. Genüsslich entledigte er sich der, in den letzten Wochen angesammelten, Gesichtsbehaarung und sein schelmisches Grinsen kam darunter endlich wieder zum Vorschein. Der Anblick des wilden Robinson Crusoe wich dem beinahe wieder jugendlich wirkenden und erfrischenden Look eines Surfers. Ein neuer Abschnitt im Leben unseres Captains konnte beginnen.
Nach unserer ersten Surfsession auf der Karibikinsel stand uns das offizielle Einklarieren bevor. So steuerten wir gegen den frühen Nachmittag erstmals den Hafen von St. Charles an.
Martin konnte es kaum erwarten, endlich seine heiss geliebte Barbados-Flagge hissen zu dürfen. Seine ausgelassene Stimmung und Vorfreude auf ‚seine‘ Insel war fast ansteckend.
Plötzlich verlangsamte Makani kurz vor der Hafeneinfahrt ihre Fahrt. Und dies war nicht dem fehlenden Wind geschuldet.
Hinten am Heck stehend stellte Ronin fest, dass wir wohl in irgendeiner Leine hängen geblieben waren. So machten wir unsere ersten Erfahrungen mit den „Lobster-Fallen“ der Fischer. Dies sind Metallkäfige, die an einer Leine auf den Grund des Meeres abgelassen wurden, in der Hoffnung, dass sich darin die Hummer einfangen liessen. Das Verständnis für die Fischer war unsererseits vorhanden. Doch, dass wir die Falle mit unserem Steuerruder hinter uns nachschleiften war ziemlich suboptimal. Ich war auch der Meinung, dass die Falle nicht zwingend in der Hafeneinfahrt hätte platziert werden müssen. Willkommen in der Karibik!
Diese Fallen sind hier rund um die gesamten Inseln ausgelegt und für Segler ähnelte das Ausweichen dieser Fallen teilweise schon fast einem Spiessrutenlauf oder auch Mienenfeld. Denn teilweise waren die Fallen durch nichts gekennzeichnet und erschwerten vor allem nachts das Einlaufen in Häfen oder das Segeln in Küstennähe allgemein.
Während ich mir noch so meine Gedanken zu diesen Fallen machte, hatte sich Martin bereits mit einem Kopfsprung ins Wasser gestürzt und untersuchte die Unterwassermisere.
Innerhalb von 30 min war dann auch die Falle wieder auf Grund gesunken und unser Weg frei für die Einfahrt in den Hafen.
Die gesamte Crew setzte sich voller Erwartung ins Dingi und wir suchten die Einfahrt zum Hauptdock, wo Martin die Einreiseformalitäten erledigen musste und wir uns auf das erste karibische Bier freuten.
Doch ausser der Hotelanlage und dem grossen Hafen schien in Port St. Charles nicht wirklich etwas los zu sein. Da die Makani-Küche aber dringend mit frischen Lebensmitteln aufgestockt werden musste, ging die Suche nach einem Supermarkt los. Martin, der vor fast 25 Jahren das letzte Mal auf Barbados war, konnte sich noch gut an die öffentlichen Verkehrsmittel erinnern. Hier gab es keine fixen Fahrpläne sondern nur Busse, die entweder in die Stadt fuhren oder aus der Stadt hinaus. Zum Glück entdeckten wir unter einem Baum einen kleinen Verkaufsstand, an welchem wir uns mit dem lang ersehnten ‚Wegbier‘ eindecken konnten. Die Temperaturen hatten die 30 Grad mehr als überschritten und uns lief der Schweiss bereits in Bächen an unseren Körpern hinunter.
Das kühlende Nass des Hopfengetränks war auf dem Weg in unsere Körper wohl bereits in den Kehlen verdunstet. Von einem Bus fehlte jedoch immer noch jede Spur. So mussten wir uns wohl oder übel zu Fuss auf den Weg ins nächste Dorf machen.
Die Mission war klar. Nicht nur frisches Essen, auch Telefonkarten wurden dringend benötigt, um unsere Liebsten zu Hause von unserer Ankunft in der Karibik in Kenntnis zu setzen. So trieb uns der Wunsch nach einer Verbindung mit der Aussenwelt die staubige Hauptstrasse entlang.
Schliesslich erreichten wir nach gut 20 min Marsch die ersten Ausläufer der Hafenstadt Speightstown, wo tatsächlich auch Leben vorhanden war. Aus den farbigen Blechhütten dröhnte Reggaemusik in alle Richtungen, davor sassen oder standen Frauen und Männer mit den Rastalocken und unterhielten sich lachend. Das fröhliche Treiben auf den Strassen wirkte hochgradig ansteckend. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob der glückliche Zustand der Einwohner auf die Musik, den Konsum von Alkohol oder auf die selbstgedrehten Zigaretten zurück zu schliessen war. Diese verströmten den süsslichen Duft des Cannabis in alle Himmelsrichtungen und selbst wir hatten das Gefühl alleine vom Duft ein wenig ‚High‘ zu werden.
Zurück auf der Makani wurde das neu erworbene Gemüse der Insel durch Martin erst mal in der Küche verstaut. Ronin und Timon schnappten sich jedoch sofort das kleine Plastiksäcklein, welches Martin zuvor auf dem Gemüsestand ergattert hatte. Darin befanden sich kleine Peperoncinis. Da die beiden Jungs sich schon seit Wochen einen kleinen Kräftekampf boten, wer denn nun schärfer Essen konnte, kam ihnen dieses Testmaterial gerade recht. Mit dem was sie dann erwartete beim ersten Bissen, damit hatten wohl auch sie nicht gerechnet. Mit einem Mal stürzten sie in die Küche und rissen sich gegenseitig die Milchpackung aus der Hand. Fluchend und mit hochrot angelaufenen Köpfen stopften sie Brot und Yoghurt in sich hinein und liessen wohl sicher jeder 2 Liter Milch innert 30 Sekunden ihre brennenden Kehlen hinunter.
Das sich wiederholende „Fuck Altä“ hörte man noch mehrere Stunden. Ich glaube damit war ihre Neugier auf scharfe einheimisch Gewürze und exotische Speisen erstmals gestillt.
Martin stand mittlerweile bereits oben auf dem Deck seines Segelschiffs und hisste beinahe ehrfürchtig seine Flagge von Barbados. Das Schauspiel, wie er irgend eine Nationalhymne singend nachahmte war schon fast einen Oscar wert.
Bereits am nächsten Morgen piepte mein Handy, als mich die Nachricht von Amir erreichte. „Willkommen auf meiner Insel“, schrieb er. Den Zahnchirurgen aus Kanada hatte ich vor Jahren beim Kitesurfen in der Türkei kennengelernt. Hocherfreut ihn wiederzusehen, lud ich ihn kurzerhand für einen Besuch auf der Makani ein. Auf seinem SUP stehend kam er schon bald darauf angepaddelt.
Da wir praktisch immer noch keinerlei frisches Gemüse oder Früchte an Bord hatten, nahmen wir das Angebot von Amir dankend an und liessen uns am Nachmittag mit seinem Mini Cooper ins nächste Einkaufszentrum chauffieren. Nach Monaten auf den Kapverden waren wir gefühlt auf einem anderen Planeten angekommen. Das riesige Einkaufszentrum bot mehr, als man sich wünschen konnte und uns überkam beim Anblick der vielen Köstlichkeiten ein ziemliches Ausmass einer Einkaufseuphorie. Unsere beiden Einkaufswagen waren innert Kürze bis an den Rand gefüllt. Bei der Kasse stehend und die Berge an Tüten anschauend überkam mich dann doch der Gedanke, wie um alles in der Welt wir uns und den gesamten Einkauf im kleinen Mini von Amir unterbringen wollten. Doch am Ende war alles verstaut und wir auf dem Weg zurück in den Hafen. Amir, der uns im Laden über den besten Barbados Rum aufgeklärt hatte, sprintete schon kurz darauf in die Makani-Küche und bereitete uns unseren ersten Rumpunsch zu. Auf Barbados trank man diese Art Rum den ganzen Tag erklärte er, gemischt mit einem Multifruchtsaft und/oder frischem Kokoswasser.
Während die Jungs bei dem nicht nach Bier schmeckenden Getränk gewaltig die Nasen rümpften und Martin sich schon darauf freute, diesen Rum mit Cola zu mischen, muss ich mir eingestehen, dass mir diese Kombination mit Kokossaft hervorragend schmeckte. Nun verstand ich auch, warum hier die Einheimischen den ganzen Tag gut gelaunt auf Wolke 10 durch die Gegend schwebten. Das war mal ein Einstieg ins Leben der Karibik. Ich war gespannt darauf, was uns wohl noch so alles erwarten würde.
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