Teil 26 - F@*#!- Makani und der wilde Ritt
- Denise Romer
- 24. Sept.
- 8 Min. Lesezeit
Nach unendlich langen Monaten in der Schweiz ging's für mich am 4. Februar zurück zur Makani in die Karibik. In der Zeit meiner Abwesenheit war dort ja wieder einiges passiert. Das würde wohl ein eigenes Buch füllen. Deswegen werde ich vorläufig auf diese Geschichten verzichten und nun ein neues Kapitel aufschlagen.
Doch auf diese Reise freute ich mich nun ganz besonders, denn wir hatten diesmal einen Ehrengast an Bord. Martins Mama Vreni nutzte die wohl letzte Gelegenheit, um Makani in noch einigermassen angenehmer Flugdistanz einen Besuch abzustatten und mit uns an den Küsten der Dominikanischen Republik zu segeln.
Der Weg führte mich, aufgrund eines technischen Problems der Edelweiss-Maschine, über das kanadische Montreal und anschliessend mit der Air Canada nach Punta Cana. Dort wartete Makani mit seiner Crew am Pier festgebunden wie einst in La Rochelle im Hafen. Eigentlich ein furchtbarer Anblick für ein Segelboot, das dafür gebaut wurde, um frei zu sein.
Doch als ich spät nach Mitternacht endlich ankam, war ich froh, dass das Schiff komplett ruhig lag und ich schon bald in tiefen Schlaf fiel.

Am nächsten Morgen brauchte ich erst einmal eine Dusche und nutzte die Gelegenheit, als Martin den Mietwagen zum Flughafen zurückbrachte. Den Weg bis zu den Sanitäranlagen im Hafen hätte ich mir gleich sparen können, denn kaum setzte ich einen Fuss aus dem Schiff, öffnete der Himmel seine Schleusen. Auch ein weiteres kleines Backflash zu La Rochelle, wo wir dieses Spiel täglich mitmachen mussten. Das warme Wasser in der Dusche tat jedoch gut und ich spülte den Stress der letzten Tage den Abfluss hinunter.
Fast zeitgleich mit Martin war ich zurück auf der Makani. Ausnahmsweise gab es heute kein frisch gebackenes Brot von unserem Bäckermeister, sondern Ronin servierte uns Pancakes. Dazu gab es auch einen echten kanadischen Ahornsirup aus dem Duty Free, welchen ich in Kanada bei meiner Durchreise im Regal stehen sah. Vreni hatte uns dazu ein leckeres Birchermüesli zubereitet.
Der Drang war gross, nun endlich die beengenden Hafenverhältnisse zu verlassen. Und so lösten wir schon kurz nach dem Frühstück fröhlich die Leinen und schmissen die Fender in die Luken, wo sie hoffentlich wieder lange eingesperrt blieben.
Die nächsten Abenteuer liessen auch tatsächlich nicht lange auf sich warten.
Das Schiff war mit wenigen Handgriffen auf den kommenden Segeltörn vorbereitet. Mittlerweile war die Crew eingespielt und alle arbeiteten Hand in Hand. Martin startete den Motor und pilotierte seine Makani zur Marina Cap Cana bei Punta Cana hinaus auf das Meer. Das Grosssegel wurde gesetzt und die Genua rausgelassen. Die See war doch schon ordentlich aufgewühlt. Die Wellen wurden immer höher und der Wind nahm schnell an Kraft zu. So setzten wir das Gross ins zweite Reff. Am Horizont konnte man erkennen, dass hier wohl ein Squall am anderen auf uns zukommen würde. In dem Moment war ich einerseits froh, dass ich etwas im Magen hatte und andererseits auch, dass es nichts schwer verdauliches war. Wir wussten, dass wir einen Kampf gegen den Wind und die Wellen führen mussten und auch, dass es um die Nordostecke der Insel ein anstrengender Schlag werden würde. Ich schaute zu Vreni und beobachtete, ob hier bereits Anzeichen von Seekrankheit zu sehen waren. Dies war glücklicherweise nicht der Fall. Im Gegenteil! Martin’s Mama genoss den wilden Ritt mit dem Segelboot und das Strahlen in ihrem Gesicht ersetzte die fehlende Sonne am Himmel.

Der Wind pfiff uns mit 35 Knoten um die Ohren und die Wellen erreichten eine Höhe von gut 3 Metern. Im Cockpit war voller Einsatz gefragt. Auch aus dem Grund, dass die Seekarten hier aus irgend einem Grund nicht mit dem wahren Seegrund übereinstimmten und die Riffe rund um das Cap schnell übersehen werden konnten. Martin gab den Befehl zum einförlen der Genua. Die Jungs waren bei dem wilden Seegang doch tatsächlich noch auf der Suche nach einem Unterwasservulkan. Dies in der Hoffnung, hier noch ein paar grössere Fisch an die Leine zu bekommen. Ronin, welcher den Seegang wegsteckte, als ob er noch festen Boden unter den Füssen hätte, bereitete im Heck des Schiffs alle verfügbaren Fischerleinen vor und kurze Zeit später zogen wir drei Leinen hinter uns her. Kaum hatten Martin und ich oben im Cockpit die erste Halse gefahren, konnte man vom Heck des Segelschiffs ein leises F@*#! von Ronin vernehmen. Wir schauten nach unten und entdeckten das Leinenchaos, welches Ronin aufs Heck zog. Bei unserem Halsenmanöver hatte sich alle 3 Leinen ineinander verknotet. War ja klar. Doch da dies nicht das erste Mal war, hatte Ronin das Chaos schnell geordnet und die Leinen wieder für den nächsten Fang vorbereitet.
Das Meer verschonte uns heute nicht und gab sein Repertoire an Kreuzwellen an die Makani weiter. Der Wind peitschte uns um die Ohren und zur Verständigung unter der Crew musste man sein Stimmorgan schon um einige Oktaven anheben. Das nächste F@*#! von Ronin folgte schon kurz darauf. War das Erste fast gehaucht, kam dieses nun schon ziemlich genervt daher. „Scheisse, d Luke vom Mittelschwimmer isch offe gange!“ Während Ronin im strömenden Regen nach vorne rannte um die Luke zu schliessen, ging Martin nach unten und begutachtete die Bescherung. Das Nass des Regens hatte die halbe Koje bewässert und die Matratzen trieften. - Oha! Diese Bescherung musste warten, bis wir wieder am Anker waren. Während ich mit Vreni das Cockpit hütete, vernahmen wir bereits ein erneutes F@*#! diesmal seitens von Martin, der gerade vom Mittelschwimmer in den Salon hochstieg. Der Tonfall, konnte nicht viel Gutes verheissen. Ich verliess meine, vor Wind und Wetter geschützte, Kommandobrücke und äugte durch die Türen des Salons. Dort versuchte Martin gerade, die auf der Fensterbank rollenden, rohen Eier aufzusammeln. Bei den hohen Kreuzwellen, durch die Makani gerade stampfte und sie in alle Richtungen warf, kein einfaches Unterfangen. Doch auch diese Mission gelang dem Captain mit erstaunlicher Leichtigkeit - nur zwei Eier gingen in die Brüche. Ich war froh, dass ich mich momentan nicht arg viel bewegen musste, denn der Wellengang war beträchtlich. Auch die Squalls reihten sich gefühlt alle in eine Linie auf, um unser Seglerleben mit Emotionen zu füllen. Die Hektik der beiden Jungs schien noch kein Ende gefunden zu haben. Die Anspannung bei der Crew legte sich, im Gegensatz zum erneuten Squall, der das Schiff auf den nächsten Wellenkamm katapultierte. Der Bug neigte sich in steilem Winkel nach unten und das Herumfallen verschiedener Gegenstände verstummte im Getöse der brechenden Wellen.
Kaum überhörbar ertönte Martin’s weiteres F@*#! „Scheisse! Üseri Tauchfläsche heben nüme!“ Ronin und ich rannten Martin zu Hilfe, um die Tanks wieder an der Reling zu befestigen. - Ups! Waren da nicht mal 4 dieser Flaschen?

Ich schaute die Bordwand hinunter und checkte die Fensterfront auf der Backbordseite. Zum Glück war es bei diesem Missgeschick nicht auch noch zu einer Beschädigung am Schiff gekommen. Für heute reichte es mir allmählich mit dieser ungemütlichen Fahrt und ich sehnte mich nach etwas ruhigeren Gewässern. Ein Blick auf den Kartenplotter bestätigte mir, dass wir schon bald an unserem nächsten Ankerplatz ankommen würden. Ich setzte mich also wieder deutlich entspannter in den Führerstand und mein Körper wiegte sich mit dem Geschaukel des Bootes. Beim erneuten Blick die Treppe zum Heck hinunter entdeckte ich 3 grosse schwarze Brocken am Boden liegen. Kurz streifte mein fragender Blick Ronin, welcher neben mir sass, der sich wohl in diesem Augenblick dieselbe Frage stellte. Was zum Henker waren das für schwarze Brocken? Puh, Entwarnung! Die schlagenden Wellen hatten wohl gerade unserem, am Heck befestigten Grill, die dringend notwendige Reinigung verpasst.
Das Meer und der Himmel schienen sich für heute zu beruhigen. Rund drei Stunden später waren wir nordöstlich von Punta Cana angekommen und steuerten die Bucht von Cabeza de Toro an.

Das flaue Gefühl in meinem Magen ebbte genau so schnell ab wie die nachlassenden Wellen in der Bucht. Ich meinerseits war froh, dass wir den schlimmsten Teil der heutigen Reise überstanden hatten. Andererseits auch ein wenig überrascht, dass auch nach so vielen Monaten auf dem Schiff, die Fähigkeit von Seekrankheit immer noch in mir schlummerte. Mein Blick wanderte zur Flybridge, auf welcher unser VIP-Gast Vreni thronte und ihr Gesicht mit geschlossenen Augen in die Sonnenstrahlen streckte. Sie machte noch immer den Eindruck, als ob ihr der wilde Ritt um das Kap nichts anhaben konnte.
Glücksgefühle hatten sich auf ihrem Gesicht ausgebreitet und die Ruhe, welche sie ausstrahlte, ging direkt auch auf meinen Körper über. Es war schön zu sehen, dass Vreni den wilden Ritt nicht nur überstanden, sondern diesen auch regelrecht genossen hatte.
Ich liess zusammen mit Martin das Grosssegel hinunter und Ronin schaltete den Motor ein. In gemütlichem Tempo schaukelte es uns in die Bucht von Cabeza, wo wir wider Erwarten einen fast schon wellenlosen Ankerplatz ansteuerten.
Kaum war der Anker auf dem sandigen Grund gesetzt, stand Vreni auch schon in der Küche und bereitete uns ein Mittagessen zu. Serviert wurde dazu ein Glas eisgekühlter Weisswein. Das kühle Getränk rann wie flüssiges Gold durch unsere bereits ausgetrockneten Kehlen. Immer wieder auch spannend zu spüren, dass ein flauer Magen sich nach dem Ankern innert kürzester Zeit erholen konnte.
Martin und ich befreiten schon mal unser Dingi von seinen Fesseln und liessen es hinter dem Boot aufs Wasser. Ronins Kopf verschwand auch schon in der Spielzeug-Skipperkabine auf der Backbordseite. Herausgeflogen kamen die Einzelteile der Kitesurfausrüstung. Dieser Plan gefiel mir ganz besonders. So startete ich ebenfalls einen Versuch, meine, vor mehreren Monaten verstauten Kitesachen, auf dem Segelboot zu finden. Tatsächlich befand sich alles noch an derselben Stelle und ich freute mich auf ruhiges Gleiten in dieser einsamen Bucht. Ronin hatte unterdessen seinen Kite bereits in der Luft und fuhr um die Makani herum. Ein Blick auf die Windanzeige bestätigte mir jedoch das Bild, welches ich vom kitenden Ronin bekommen hatte. Der Wind war fast eingeschlafen. Ich sprang ins Dingi, da ich Ronin zum Boot zurückholen wollte, und drehte den Zündschlüssel. Erfolglos. Mit fragendem Blick schaute ich zu Martin, der nur mit den Achseln zuckte; "Jo, das Problem hemer scho es Wili. Muesch halt de Motor mitem Seili starte". Doch auch hier – Fehlanzeige! Ich entstieg dem Dingi und suchte das Wasser nach Ronin ab. Der Kite war noch immer in der Luft, wurde jedoch durch Ronin stark hin- und herbewegt, was ein untrügliches Zeichen für viel zu wenig Wind war. Nun bestieg Martin das Beiboot und versuchte ebenfalls den Motor zu starten. Ich musste nicht mal hören, was er sagte, denn seine Lippenbewegungen und sein Gesichtsausdruck formten die Worte F@*#! automatisch. Wie nicht anders zu erwarten, verwehrte 'Flippy' auch ihm seinen Dienst.
Während es Ronin doch noch gelang, seinen Kite in Richtung Boot zu steuern, und Martin diesen auf der Backbordseite entgegennahm, um die Luft auszulassen, begab ich mich erstmal zur Kaffeemaschine. Hmm… Auch nach erneutem Drücken des Einschaltknopfs war kein Leben in die Maschine zu bekommen. Ich sah mich in der Küche um. Ok, auch keine Anzeige am Backofen. Dies konnte nur heissen, dass wir mal wieder einen Stromausfall hatten. Ich stieg in die Luke zum Motorenraum und krabbelte zu den Sicherungen. Der FI-Schalter hatte ausgelöst. Auch beim Hochklappen wollte dieser nicht einrasten. Nun hiess es also suchen, bis gefunden. Irgendetwas musste uns bei dieser Überfahrt einen Kurzschluss verursacht haben. Nachdem wir mindestens eine halbe Stunde die Fehlerquelle gesucht, aber nicht gefunden hatten, startete Ronin einen erneuten Versuch, den FI-Schalter zu betätigen. Und siehe da – alles funktionierte wieder einwandfrei. Und das, obwohl wir bis heute nicht wissen, was den Stromausfall verursacht hatte.
Mein Blick wanderte erneut aufs Meer und dann zu Ronin. Auch er war mehr als bereit, noch einmal einen Kiteversuch zu wagen. Die Anzeige des Windmessers zeigte uns fast schon konstante 17 Knoten. Was perfekt war, um diesem angespannten Tag noch etwas Entspannung verschaffen zu können. Ronin flitzte schon bald mit dem 12er durch die Bucht und ich folgte ihm mit zeitlicher Leinen-Entwirrungs-Verzögerung von einer halben Stunde. Doch auch dieses Leinenchaos konnte mich für heute einmal nicht mehr aus der Ruhe bringen. Kaum auf dem Wasser, durchflutete ein Glücksgefühl meinen Körper und auf meinem Gesicht breitete sich in diesem Augenblick die gleiche Glückseligkeit aus, die Vreni schon während der ganzen Überfahrt verströmte.
Alles in allem mal wieder so ein typischer Tag auf der Makani. Doch hätte ich in dem Moment gewusst, was sich noch so alles in dieser Woche zutragen würde, dann wäre ich an diesem Abend wohl kaum mit dieser inneren Ruhe eingeschlafen.
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