Adieu, wunderschönes Barbados. Gerne wäre ich noch viel länger auf dieser unglaublichen Karibikinsel geblieben. Die Menschen, die Lebensfreude, das klare Wasser und die weissen Sandstrände. Dies alles machte es einem schwer, die Insel zu verlassen.
Doch Martin hatten einmal mehr Termindruck. Auf Martinique musste seine Makani aus dem Wasser gehievt werden. Hatte der Captain bei der täglichen Ankerkontrolle mit dem Schnorchel tatsächlich entdeckt, dass sich das Antifouling am Kiel bereits abgelöst hatte. Das Antifouling zu erneuern wäre ja an und für sich auch nicht so eine gewaltige Arbeit gewesen, trotz der drei Schwimmer. Doch um diese auszuführen musste das ganze Segelboot mittels Kran aus dem Wasser gehoben werden. Und das war ein grosses Problem. Wie man sich vorstellen kann auch ein nicht ganz günstiges Vorhaben. Zum Glück liefen diese Kielarbeiten auf Garantie und so konnten immerhin diese Kosten eingespart werden.
Seit Tagen sah man unseren Captain nun schon mit dem schwarzen Sklavenhalter namens Handy übers Deck laufen. Dabei umrundete er mindestens 5mal das komplette Schiff. Immer wenn er das tat, dann wusste man, dass Martin Gespräche führte, bei denen seine Gedanken auf Vollgas liefen. Dazu kam, dass die Gespräche meist nichts Gutes verhiessen.
Auch diesmal schien irgendetwas nicht ganz so nach seinem Gusto zu laufen. Mit beiden Händen fuhr er immer wieder durch seine inzwischen schon etwas länger gewordenen und von der Sonne gefärbten, blonden Haare. Sein Aussehen glich dabei dem „Doc“ aus dem Film ‚ Zurück in die Zukunft‘ was sehr witzig aussah, mir aber gleichzeitig klar machte, dass die Situation für ihn gerade etwas zum Haare raufen war.
Da das Schiff aus dem Wasser musste, hatten die beiden Bootsbauer, Ronin und Timon, entschieden, dass man ja dann auch gleich noch das ganze Unterwasserschiff neu machen könnte. Schliesslich wollte man das Segelboot nicht mehr so schnell an einen Kran hängen sondern endlich bis in die Südsee segeln. Bis Makani dann tatsächlich einen freienTermin in der Werft bekam, waren uns noch ein paar freie Tage gegönnt. Momentan gab es jedoch weder Wind zum wingen oder kiten und auch keine Wellen, die die Jungs abreiten konnten. So blieb uns nur die Option Tauchen, um unserem Wassersport zu frönen. Gemäss Reiseführer und Recherchen im Internet soll Martinique über ein paar sehr schöne Tauchspots verfügen. Der Erste auch gleich schon im Süden der Insel beim Diamant Felsen.
Es stellte sich tatsächlich als ein unglaubliches Erlebnis heraus. Wer den Film Avatar gesehen hat, der kann sich in etwa vorstellen, wie es dort unter Wasser ausschaute. Die Höhle, durch die man unter dem Felsen durchtauchen konnte, machte das Erlebnis unbezahlbar.
Am Abend des 2. Aprils liefen wir schliesslich in den Hafen von Le Marin ein. Dort sollte in 2 Tagen Makani das Wasser für eine Woche verlassen. Viel Zeit blieb uns also nicht für die ganzen Reparaturen, denn die ersten Gäste würden schon bald in die Karibik fliegen, um mit uns zwei Wochen zu verbringen. Bis dahin sollte die Yacht wieder in neuem Glanz erstrahlen.
Am Tag vor der geplanten Auswasserung fuhr Martin mit dem Dingi zum Dock, um mit dem Kranmeister und der Büroangestellten die Details zu besprechen. Sein Gesicht bei der Rückkehr sprach Bände. Scheinbar hatte es in der Kommunikationskette zwischen dem Yachthhändler, dem Segelboot-Händler auf Martinique, der Werft und unserem Kapitän diverse Unklarheiten gegeben. So wusste am Ende anscheinend niemand von irgendetwas und schon gar nicht, dass wir mit unserem Trimaran kommen würden oder dass man daran irgendwelche Arbeiten ausführen musste. Da standen wir also mal wieder vor einem kleinen Problem. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir ein Solarpanel mit einem Kurzschluss, eine nicht mehr funktionierende Geschirrwaschmaschine, eine Dusche aus der lediglich Heisswasser kam, einen Defekt bei unserem Starlink, die Salondecke die uns täglich bei jeder Wellenbewegung auf den Kopf fiel, das defekte Decklicht und diverse Bauteile am Segelboot die nacheinander ihre Funktion nicht mehr erfüllen konnten. Makani, als die Hülle Nummer 1 war der Prototyp für eine ganze Reihe weiterer NEEl 52 Segelboote. Und viele Details waren manchmal wohl nicht ganz zu Ende gedacht. Doch wenn man darüber hinwegsah, war der Trimaran nach wie vor ein unglaublich tolles Segelboot. Die meisten Reparaturen wären auch ohne Weiteres und ohne Werft gut machbar. Die Organisation der defekten Sachen stellte jedoch das grösste Problem dar. Was in Europa innert weniger Tage geliefert werden konnte, bräuchte bis hier in die Karibik mindestens ein paar Monate. Wenn es überhaupt jemals ankam.
Die äusserst nette Dame bei der Werft hatte Martin mit eiskaltem Blick klar gemacht, dass sein Plan mit der Auswasserung so gründlich in die Hose ging. Da man hier von unserer Ankunft nichts wusste, sei ein Termin frühestens in einem Monat möglich. Diese Tatsache war mehr als unerfreulich und erzeugte beim Captain ein wenig Druck. Da Timon ebenfalls schon bald die Heimreise antrat, würde die gesamte Unterwasserschiff-Arbeit dann bei Ronin, Martin und mir hängen bleiben.
An diesem Abend krachte es mal wieder gewaltig unter den beiden Bootsbauerjungs. Meinungsverschiedenheiten und das Fehlen ihres Lieblingssports oder anderweitiger Beschäftigung führte schliesslich dazu, dass das gemütliche Restaurant plötzlich fliegende Stühle als Attraktion bekam und ich mich im Anschluss plötzlich mit Gian und Timon in der nächstgelegene Bar vorfand, um mit den Zwei den angestauten Frust in Alkohol zu ertränken. Nicht, dass dies sonderlich viel genützt hätte, denn als Ronin uns schliesslich mit dem Dingi abholte, waren Gian und Timon auf dem Pier in Hahnenkämpfe verwickelt und warfen sich gegenseitig ins Wasser wobei die beiden sich lachend übelst beschimpften.
Als Frau muss man dies nicht verstehen. Doch anscheinend führte diese Aktion bei den Jungs zu einer schnellen Versöhnung. Schon tags darauf lachten und scherzten alle wieder miteinander.
Der Stress war schnell vergessen, als sie schliesslich ihre Surfboards kurzerhand auf den winzigen Mietwagen hievten und Martin die Jungs auf die Ostseite der Insel an einen Wellenspot transportierte. Mit strahlenden Gesichter und ihren Boards unter dem Arm stapften sie durch das Dickicht des Dschungels dem Meer entgegen, während Martin, Gian und ich uns in die nächstgelegene Rum-Destillerie begaben. Anscheinend hatte die Insel noch einige dieser Rumhersteller zu bieten. Unser Plan war, dass wir die alle besuchen wollten, um Martin’s Barbados Rum mit den hier produzierten zu vergleichen.
Mittlerweile haben wir schon einige diese Feuerwasserhersteller besucht. Obwohl für mich viele davon ganz gut schmeckten, ist Martin auch heute noch der Meinung, dass sein Barbados Rum oder „Barbi-Rum“ nach wie vor unschlagbar wäre. Ich würde das mal dem Fakt zuordnen, dass Barbados als Windsurfdestination für ihn wohl immer noch zu seinen Favoriten zählte. Durch die Erinnerungen an seine vergangene Zeiten wurde dessen Geschmack wohl mit jedem Schluck um ein Vielfaches verbessert.
Der kleine Ausflug durch die Landschaft hatte uns allen gut getan. Die Stimmung war wieder aufgelockert und die Arbeiten an Bord hätten in Angriff genommen werden können. Doch wie immer war der Weg zum erneuten Tauchen beim Diamantfelsen verlockender als das Nerven aufreibende Suchen nach Schiffs-Ersatzteilen bei den ‚Insel-Franzosen‘. Dies konnte nun auch noch bis nach dem Abflug von Gian warten.
Zurück im Hafen von Le Marin stellten wir alle schnell fest, dass es hier zwar französisches Gebiet war und die Menschen französisch sprachen, doch von europäischen Verhältnissen waren wir trotzdem weit entfernt.
Während Ronin, Timon und Martin sich auf die Suche machten nach geeignetem Material für das Unterwasserschiff, begab ich mich auf die Suche nach einer Reparaturlösung für unsere Geschirrwaschmaschine. Leider war auf der gesamten Insel Fehlanzeige. Die Marke SIEMENS war hier nirgends vertreten und ihr Online Support via Email brachte ebenfalls keine brauchbare Lösung. Es blieb uns wohl nichts anderes übrig als die verstorbene ‚Lili‘ dem nächstbesten Schrotthändler zu übergeben und uns einen neuen Geschirrspüler zu besorgen.
Auch die Jungs hatten wenig Glück bei der Suche nach ihren Ersatzteilen. Am Ende wurde der männliche Einkaufsfrust mit der Bestellung eines Fischfinders und eines neuen Dingi-Propellers gestillt. Wenigesten etwas, das die Jungs aufheitern konnte.
Die Tage bis zur Ankunft unserer ersten Gäste vergingen wie im Flug. Die Woche im Hafen von Le Marin war gefüllt mit viel Arbeit unsererseits und Organisation.
So schafften es die Jungs am Ende tatsächlich auch noch, den neu angeschleppten Geschirrspüler rechtzeitig einzubauen und zum Laufen zu bringen. Dies nicht ohne ihr auch noch einen gebührenden Namen zu verpassen. Ich hoffte insgeheim, dass unsere neue ‚Esther‘ ihren Dienst auf der Makani ein wenig länger durchhalten würde.
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